In meiner Kindheit war unser Karottenbeet im Garten wie eine Losbude: Oft bin ich hingeschlichen und habe mir die Pflanzen genau angeschaut. Die großen wuscheligen Blätter und die kleinen orangefarbenen Höckerchen der Karotten, die aus der Erde schauten. Welche soll ich aus der Erde ziehen, um sie zu naschen? Die eine schaut viel breiter aus als die daneben; aber dafür ist eben nicht so viel Kraut dran. Wo muss ich ziehen, um eine ordentliche Karotte zu ernten? Denn wenn ich sie einmal aus der Erde geholt habe, kann ich sie ja nicht wieder zurückstecken. Die wächst dann ja nicht mehr weiter.
Manchmal hat es geklappt, und gelegentlich musste ich an einem kümmerlichen Etwas herumknabbern, das gerade mal ein paar Zentimeter lang war.
Jetzt bin ich erwachsen; und es sind nicht mehr die Karotten, bei denen ich auf den richtigen Moment warte, um sie aus der Erde zu ziehen.
Heute sind es Projekte, bei denen es darauf ankommt, sie im richtigen Zeitpunkt zu starten.
Bei den eigenen Kindern überlegt man hin und her, ob sie denn schon reif sind, für den Schritt in ein selbstständiges Leben.
Immer wieder muss ich im Leben den richtigen Moment abwarten – und da ist das Feld mit den Karotten ein gutes Training gewesen: Weil es mir geduldiges Abwarten gelehrt hat, und dem Mut, irgenwann auch mal beherzt zuzupacken , und das Ding aus der Erde zu ziehen.
Einen guten Tag wünsche ich ihnen.
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